Ansichten XXIV
connected

Kuratorin:
Dr. Ingrid Adamer
07. Nov. 2015 - 28. Feb. 2016
Vernissage: SA  07. Nov. 2015, 17 Uhr


Vor der Vernissage findet um
15:00 Uhr im Kunstraum Dornbirn
die Katalogpräsentation zur
Ausstellung von Christoph und
Markus Getzner und eine
Sonderführung durch die
Ausstellung statt.
Alle Gäste des Kunstraum Dornbirn
sind herzlich eingeladen danach
an der Vernissage im Quadrat
Dornbirn teilzunehmen.



Öffnungszeiten:
Do / Fr / Sa 15-18 Uhr
und nach Vereinbarung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Z U R Ü C K

Ansichten XXIV "connected"
kuratiert von Dr. Ingrid Adamer

Beteiligte Künstler
Thomas Bohle
Christoph & Markus Getzner
Karl-Heinz Ströhle


Die Ausstellung “connected” vereint im QuadrART in Dornbirn aktuelle Werke von vier Kunstschaffenden, die ihre Wurzeln in Vorarlberg haben, mit ihrer künstlerischen Arbeit, aber weit über die Landesgrenzen hinauswirken. Trotz unterschiedlicher Herangehensweisen sowie teilweise differenten Material- und Formensprachen eröffnen sich in der Schau subtile und spannende Verbindungen.

connected: verbunden, zusammenhängend, zusammengehörig
Ist nicht alles miteinander verbunden? Die Natur in sich, die Atome, wir mit unseren Ahnen, der Flügelschlag eines Schmetterlings in Brasilien, der vielleicht einen Tornado in Texas auslösen könnte?
Die Frage nach Zusammenhängen spielt in der christlichen und östlichen Mystik ebenso eine Rolle wie in der Forschung. Der Hirnforscher Gerald Hüther spricht sich dafür aus, die alte Biologie des Zerlegens und voneinander Abgrenzens in eine neue Biologie der Verbundenheit alles Lebendigen zu verwandeln. Der Quantenphysiker Hans-Peter Dürr sah den Kosmos als ein Ganzes und sagte: „Ich erlebe nichts, was um mich herum ist, als abgetrennt von mir. Ich bin nicht ein Teil, sondern Teilhabender.“
Hängt also alles mit allem zusammen? Netzwerke im Verkehr, in der Finanzwelt, social networking im World Wide Web, Vernetzungen von Institutionen und Menschen!?
Andreas Weber bezeichnet die Verbundenheit mit allem als Zentralerfahrung des Lebens: „Wir sind nicht nur ein Teil der Natur, sondern sie ist Teil von uns. Um uns ganz selbst zu verstehen, müssen wir uns selbst in anderen Lebewesen wiedererkennen“, schreibt der Biologe und Philosoph in seinem Buch: „Alles fühlt.“ Und der Kunsthistoriker und Redakteur Hanno Rauterberg bringt die Kunst ins Spiel: „In einer Welt, in der sich der Einzelne nicht gesehen, nicht anerkannt und überflüssig wähnt, in der also die Weltbeziehung verarmt und erkaltet, könnte die Kunst ein Gegenbild bieten“, formuliert er in seiner neuen Publikaton „Die Kunst und das gute Leben“. Und Rauterberg weiter:
„Dann wäre die Kunst (…) ein beziehungsstiftendes Verbindungsglied. Ästhetische Erfahrung wäre dann eine, in der Mensch und Welt einander als bereichernd erführen.“

Thomas Bohle
(*1958 in Dornbirn, lebt und arbeitet ebendort.) Nach einer Ausbildung zum Krankenpfleger absolvierte Thomas Bohle 1987 eine Lehre zum Keramiker. Eine Studienreise nach Japan brachte Inspiration, Ausstellungen in Tokio und Shanghai legten im Jahr 2004 den Grundstein für seine künstlerische Laufbahn. Internationale Anerkennung durch Auszeichnungen und durch die Vertretung und Präsentation der Arbeiten in London.
Als ich vor einiger Zeit von Uta Belina Waeger und Erhard Witzel angefragt wurde eine Ausstellung mit Werken von Künstlern aus der Region im QuadrART in Dornbirn zu kuratieren, stieß ich in der Sammlung von Erhard Witzel auf Arbeiten von Thomas Bohle, mit dem ich schon länger in Verbindung stehe. Ausgangspunkt der Ausstellungsreihe „Ansichten“ ist bekanntermaßen jeweils ein Werk bzw. eine Werkgruppe aus der Sammlung des Hausherrn. In der aktuellen Ausstellung sind dies Keramiken von Thomas Bohle.
Der Künstler hat eine eigene Formensprache entwickelt. Seine ersten doppelwandigen Objekte, die heute typisch für ihn sind, entstanden in Auseinandersetzung mit alten, bäuerlichen Gugelhupf-Formen. Thomas Bohle liebt sein Material, er dreht die Stücke auf dem Kopf stehend in einem meditativen Akt und legt dabei Wert auf eine schlichte Formensprache. Aus einem Stück Ton gedreht, sind die dünnwandigen und leichten Objekte nur scheinbar massiv. Thomas Bohle denkt bei seinen Keramiken an Behausungen, er sieht sie manchmal mehr als Modelle für Gebäude, als Architekturen, die er betreten und körperlich spüren möchte, denn als Gefäße: „Als Kind haben mich Dachböden, Keller oder Gewölbe fasziniert und beim Drehen träume ich oft von diesen sinnlichen, bauchigen Räumen.“ Neben den Keramiken entstehen in jüngster Zeit auch Röntgenbilder, auf denen die spannenden Innenräume der plastischen Arbeiten zu sehen sind.
Zufall? Geheimnis? Alchemie? Viermal pro Jahr füllt Thomas Bohle seinen Ofen und brennt. Die Verbindung zwischen dem Kontrollierten und dem Unkontrollierbaren spielt in dieser Arbeitsphase eine zentrale Rolle. Auf vieles hat der Künstler jetzt keinen Einfluss mehr, oder wie es Thomas Bohle formuliert: „In der Keramik hast du eigentlich nichts unter Kontrolle und du bringst nichts zustande, wenn du nicht mit dir verbunden bist!“ Bei freier Flamme reduzierend, also mit wenig Sauerstoff gebrannt, kann etwa die grüne Glasur rot werden und was dick aufgetragen war, verflüssigt sich, tropft und erstarrt.

Karl-Heinz Ströhle
(*1957 in Bregenz, lebt und arbeitet in Wien.) Karl-Heinz Ströhle studierte am Mozarteum in Salzburg sowie an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien bei Bazon Brock. Nach Lehrtätigkeiten in Salzburg unterrichtet er seit 2005 als Dozent die Klasse „Kunst und kommunikative Praxis“ an der Universität für angewandte Kunst Wien. Karl-Heinz Ströhle realisierte zahlreiche Projekte im öffentlichen Raum, er wurde mit Kunstpreisen ausgezeichnet und verbrachte Stipendienaufenthalte in Paris und Tokio. Seine Werke waren bereits in zahlreichen nationalen und internationalen Ausstellungen zu sehen.
Mit Karl-Heinz Ströhle verbinden mich seit vielen Jahren die Kunst, Ausstellungen – auch gemeinsam konzipierte –, interessante Gespräche und bereichernde Begegnungen. Seine Arbeiten im Zusammenspiel mit den Keramiken und Röntgenaufnahmen von Thomas Bohle im QuadrART in Dornbirn zu präsentieren erschien mir reizvoll. Beide Künstler sind Japan-Liebhaber, es gibt in der Ausstellung aber noch weitere Verbindungen zu entdecken, etwa die reduzierte Formensprache oder die konsequente Auseinandersetzung mit den jeweiligen Materialien.
Karl-Heinz Ströhle ist ein multimedial arbeitender Künstler. Die Ausstellung vermittelt einen vielfältigen Einblick in sein Werk. Ob Video, Malerei, Fotografie oder Objekte, die jeweils verwendeten Materialien sind für den Künstler gleichwertig. Seine Formensprache ist die der aformativen Prozesse: Formen, einmal in Bewegung versetzt, kommen wieder in ihren ursprünglichen Zustand zurück, im Unterschied zur Deformation, die auf Dauer bleibt.
Auch Bilder aus der aktuellen Werkserie „blow“ entstehen nach diesem Konzept, sagt Karl-Heinz Ströhle: „Ich baue einen Rahmen und klemme die Federstahlbänder ein, um ein Spannungsverhältnis zu erreichen. Anschließend werden die Formen fixiert. Entscheidend ist dabei die Tatsache, dass ein an sich lebloses Material durch Verformung auf wunderbare Weise lebendig wirkt. Ausgehend von diesen 3D-Modellen entstehen die Bilder (gedruckt, gespritzt, gemalt, fotografiert ...) Was mich an den neuen Arbeiten interessiert, ist der Aspekt des Plastischen und Pneumatischen. Obwohl man einem Gemälde gegenübersteht, hat man den Eindruck, dass es atmet. Die Formen erscheinen zum Teil prall gefüllt, halb aufgeblasen oder schon wieder Luft verlierend, manchmal drängen sich auch festere, zähere Materialien auf. Der atmende Effekt entsteht, weil man die Formen nicht als einmal fixierte wahrnimmt, sondern als lebend sich entwickelnde.“

Christoph & Markus Getzner
Christoph Getzner (*1960 in Feldkirch, lebt und arbeitet in Wien.) Er absolvierte die Meisterklasse für Holz und Steinbildhauerei in Graz und begann als Steinrestaurator in Wien zu arbeiten, seit 1988 Mitglied der Dombauhütte zu St. Stephan in Wien.
Markus Getzner (*1965 in Bludenz, lebt und arbeitet in Le Mont-Pèlerin/Schweiz, Arbeitsaufenthalte in Wien.) Der Künstler studierte an der Akademie der bildenden Künste in Wien bei Arnulf Rainer und bei Bruno Gironcoli und lebt als Mönch im buddhistischen Kloster Rabten Choeling am Genfersee.
Ausstellungen in Österreich, Liechtenstein und in der Schweiz.
Auch meine Verbindung zu den Getzner-Brüdern ist eine lang gewachsene, speziell zu Markus, der seit 2004 gemeinsam mit seinem Bruder an künstlerischen Projekten arbeitet. Im gemeinsamen Tun und im Wissen um das Angewiesensein auf andere werden Zusammenhänge gestärkt.
Christoph und Markus Getzner arbeiten mit Wegwerfprodukten und recycelbaren Materialien wie Papier und Holz. In ihren rätselhaften und häufig auf Gegensätzen aufgebauten Arbeiten verschmelzen Zeichnung, Architektur und Bildhauerei. Die Idee des Kreislaufs spielt eine wichtige Rolle. Thematisch kreisen die Bild- und Formfindungen um substanzielle Fragen unseres Daseins, um das Leben, dass ständig im Fluss ist und sich verändert, und um die Vergänglichkeit.
Christoph Getzner sieht sich an seinem Arbeitsplatz als Restaurator in der Dombauhütte zu St. Stephan in Wien mit der Vergänglichkeit des Bauwerks und mit Leben und Tod konfrontiert. Sein berufliches Wirkungsfeld bietet zahlreiche Inspirationen für die künstlerische Arbeit im Atelier zu Hause. Markus Getzner, der als Mönch in einem buddhistischen Kloster am Genfersee lebt, ist davon überzeugt, dass das Bewusstsein der Unbeständigkeit unsere Wertigkeiten verschieben kann: „Die Dinge existieren abhängig voneinander und sie sind miteinander verwoben, beweglich, veränderbar und nicht starr.“
Beide Künstler arbeiten in intensiven Phasen gemeinsam in Wien, dazwischen konzipiert, zeichnet und malt der eine in der Schweiz, während der andere dreidimensional mit Materialien und Formen in Wien gestaltet. Für die Ausstellung im QuadrART in Dornbirn konzipieren Christoph & Markus Getzner eine für das Studio im Untergeschoss des Ausstellungsortes bezogene Installation, die sich mit Wurzeln und Verbindungen auseinandersetzt.
Dr. Ingrid Adamer


Thomas Bohle


Christoph & Markus Getzner


Karl-Heinz Ströhle