Ansichten XIX
"Am Abgrund"
Kurator: Marc Peschke,
Hamburg / Wiesbaden
24. Mai 2014 - 03. August 2014
Vernissage:
SAMSTAG,
24. Mai 2014, 17 Uhr
Ausstellende KünstlerInnen:
Sabine Dehnel,
Alexander Gehring, Eckart Hahn, Axel Hoedt, Jochen Klein, Sebastian
Meschenmoser, Juan Miguel Pozo, Daniel Richter, Jan Schmelcher, Marco Wagner
Öffnungszeiten:
Do. / Fr. 17-19 Uhr, Sa. 16-18 Uhr
und nach Vereinbarung
Z U R Ü C K
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Ansichten XIX
"Am Abgrund"
kuratiert von Marc Peschke
mit Sabine Dehnel, Alexander Gehring, Eckart Hahn, Axel Hoedt, Jochen Klein,
Sebastian Meschenmoser, Juan Miguel Pozo, Daniel Richter, Jan Schmelcher,
Marco Wagner
"Am Abgrund"
Nachts an der Tankstelle. Hell leuchtet sie, zieht Menschen und andere
Lebewesen an – wie das Licht die Motten. Da haben sich sonderbare Gestalten
versammelt: nackte Liebende, Resignierte mit hängenden Schultern, eine
monumentale Figur mit einer Gitarre, eine andere mit einem Vogel auf der
Hand. Sie alle stehen da, regungslos – und warten in der Nacht. Bäume und
Pflanzen überwuchern Zapfsäulen. Neon-Schimmer: willkommen im Surrealismus
dieser Tage. „Fun de siècle“. So heißt eine kleine Farblithografie von
Daniel Richter aus dem Jahr 2003.
Seit einigen Jahren begegnen sie uns wieder vermehrt. Künstlerische Bilder,
die surrealistische Strategien aufnehmen, die einen Faden spannen – in die
Avantgardekunst des frühen 20sten Jahrhunderts. Das Dunkle, das Unheimliche,
das Surreale, Träumerische, Abgründige und Phantastische: Die Ausstellung
„Am Abgrund“ vereinigt solche Werke: Die Welt ist nicht so, wie sie scheint.
Sie ist viel doppelbödiger – davon erzählt diese Schau.
In vielen Fällen aber hat die Hinwendung zu surrealen Strategien in der
zeitgenössischen Kunst einen faden Beigeschmack. Die Abstraktion scheint
müde, die Figuration sowieso. Wir werden in dieser Ausstellung Bilder
zeigen, die nicht ermüden, sondern, im Gegenteil, eine Fackel entzünden.
Deren Virtuosität nicht Selbstzweck ist. Mit Künstlern wie Sabine Dehnel,
Alexander Gehring, Eckart Hahn, Axel Hoedt, Jochen Klein, Sebastian
Meschenmoser, Juan Miguel Pozo Cruz, Jan Schmelcher und Marco Wagner
versammelt die Ausstellung Arbeiten um ebenjenes kleine Werk von Daniel
Richter aus der Sammlung von Erhard Witzel.
Zwei Fotoarbeiten von Sabine Dehnel zeigen Frauenfiguren. Die eine scheint –
mit Lockenwicklern im Haar – über den Wolken zu schweben, die andere liegt
auf einer Landstraße. Die Irritation ist hier schon medial begründet: Dehnel
setzt ihre Protagonisten in selbstgebaute Kulissen, schminkt sie, inszeniert
sie aufwändig: eine Mischung aus Fotografie, Malerei und Bühnenbild, die uns
ungläubig die Augen reiben lässt. So auch Alexander Gehring, dessen
fotografische Bildfolge „Messages From The Darkroom“ hier in Auszügen zu
sehen ist. Abseitig, spiritistisch, unheimlich ist diese Serie. Sie macht
Geister und Phantome sichtbar – mittels des fotografischen Mediums. Sind
diese Geister freundlich? Wir wissen es nicht. In jedem Fall lassen sie sich
fotografieren.
Auch drei Arbeiten von Eckart Hahn können wir in der Ausstellung
präsentieren: Auch seine Bilder sind geheimnisvoll. In ihnen stecken
Geheimnisse. Es sind „unbehagliche Welten“, in die uns Hahn entführt.
Metaphern der Gegenwart, die der Künstler „Bilder auf die Kippe“ stellen
nennt.
Axel Hoedts Fotoserie „Einmal im Jahr“ zeigt die Fastnacht im Südwesten
Deutschlands als unheimliches Fest vor karger Winterlandschaft. Tödlich
dagegen die „Deadly Mountains“ von Jochen Klein. Aus Alltagsmaterialien
stellte Klein die dreizehn gefährlichsten Berge der Welt nach – jene Berge,
auf denen die meisten Bergsteiger ihr Leben ließen. Eine „Eroberung des
Nutzlosen”, die der Künstler auch mit der Kunstproduktion selbst in
Verbindung bringt. Seine Bilder pendeln zwischen „Illusion und Desillusion“,
wie auch jene Mischwesen des Malers Sebastian Meschenmoser. Eine Sehnsucht
nach fremden Welten treibt ihn an. Phantastische Szenarien entwickelt er,
die er mit sonderbaren Wesen bevölkert – halb Mensch, halb Affe. Ähnlich
abgründig ist auch die Malerei von Juan Miguel Pozo Cruz. Surreale,
tropische Bildwelten und Mythologien begegnen uns hier, voller Melancholie.
Auch Jan Schmelchers Kunst zeigt Surreales in exotischem Gewand. Wie etwa
sein skurriler „Ambassador“ – oder die kristallin-psychedelische Bilderwelt
von „Fine Settimana“.
Und dann schließlich die Werke des Illustrators und Malers Marco Wagner.
Auch seine Kunst ist voller Abgründe, seine wenig farbintensiven Porträts,
seine bäuerlichen Szenen: Erinnerungen an die eigene Kindheit in einem
fränkischen Dorf, vertraut, doch auch bedrohlich. „Am Abgrund“ steht auch
Marco Wagner. Blickt nach unten, stellt Fragen über Religion, Natur und
Tradition.
Was ihn mit allen anderen Künstlern der Schau verbindet: An die Stelle der
Idylle setzt er den Abgrund. Es gibt viele Verbindungslinien in dieser Schau
– etwa von Marco Wagner zu den Fastnachts-Fotografien von Axel Hoedt. Die
Besucherinnen und Besucher sind eingeladen, solche geistigen Fäden zwischen
den Werken zu finden. Nachts an der Tankstelle. Was vereint jene, die da
stehen? Die da warten? Mit hängenden Schultern? Antworten gibt es keine. Nur
wieder so viele schillernde Fragen.
Marc Peschke
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