Ansichten IV
"Dare Tempo al Tempo"
Kuratorin: Grit Weber
23.
Sept. - 05. Nov. 2010
Einführung:
Uta Belina Waeger, Grit Weber
Ausstellende Künstler:
Alighiero e Boetti, Karin Hoerler, Jürgen Krause,
Peter Sauerer,
Eva Teppe und Arnold von Wedemeyer
Öffnungszeiten:
Mi.-Fr. 17-19 Uhr
und nach Vereinbarung |
Ansichten IV
wird kuratiert von der Chefredakteurin Grit WEBER der Kunstzeitschrift "Artkaleidoscope".
"Ansichten IV -
Dare Tempo al Tempo"
Künstler:
Alighiero
e Boetti, Karin Hoerler, Jürgen Krause, Peter Sauerer, Eva Teppe und Arnold von Wedemeyer
„Eine
Sammlung ist keine Herberge, sondern eine Energiequelle“ (Pontus Hultén).
Ein Werk aus der Sammlung des Wiesbadener Galeristen Erhard Witzel bildet
für diese Schau das Initial,
von dem aus weitere Künstler, deren Arbeiten mir in den letzen Jahren
aufgefallen sind und die in ganz
unterschiedlicher Weise etwas zum Thema Zeit beitragen können, in Beziehung
zueinander gesetzt werden.
Zu sehen sind zwei Videoarbeiten, zwei
Positionen zur Zeichnung und ein Stickbild.
Alighiero e Boetti
„DARE TEMPO AL TEMPO“
(Sammlung Erhard Witzel)
Wie lange brauchte es, um die unzähligen Stiche zu vollführen, die am Ende der Arbeit ein quadratisches
textiles Bild entstehen lässt, auf dem (und damit schließt sich der Kreis zwischen Inhalt und Form)
zu lesen ist „Dare Tempo al Tempo“?
Alighiero e Boetti, der Italienische Künstler, der eine Zeit lang zu den Vertretern der Arte Povera zählte, ging in seiner.
Kunst recht früh einen ganz eigenen Weg. Er beauftragte afghanische Frauen mit der Anfertigung gestickter Bilder, gab
ihnen genaue Angaben darüber, wie viele Farben sie verwenden mussten (keine Farbkombination in einem Bild zwei Mal),
doch ließ er ihnen freie Entscheidung darüber, welcher Buchstabe in welcher Kombination angefertigt werden durften.
Die Stickbilder sind also immer in Kollaboration mit den Handwerkerinnen entstanden. Kollaboration, Sprache und die
spezifische Zeit sind in Boettis Werken aufgehoben.
Karin Hoerler
Otto und seine Töchter, 2006/2007, Tusche auf Papier
Die Wiesbadener Künstlerin beschäftigt sich in ihren Tuschezeichnungen mit
einem Konvolut von Fotografien aus dem
eigenen
Familienalbum. Es zeigt ihren Vater Otto mit seinen Kindern. Sehr selten
sind diese Dokumente deshalb, weil
doch der Vater
überwiegend als Familienfotograf auf den meisten Familienfotos nicht zu
sehen ist. Karin Hoerler
bearbeitet diese alltäglichen,
doch für sie persönlich so wichtigen Bilder. Sie spiegelt sie, löst Flächen
in verschlungene
Linien und Strukturen auf und verfremdet
so diese Bilder. Der Betrachter folgt diesen Linien, Strukturen und
Ornamenten
mit den Augen, sein Blick wird somit verlangsamt.
Hoerlers Zeichnungen sind ein künstlerisches Werk über Erinnerung, über
stetige Wiederkehr von Bildern, deren
Festschreibung oder Auflösung im
Nachsinnen und über die eigene Familienbande als ein Rätsel.
Jürgen Krause
o.T.
(Karierte Blätter), 2010,
Tusche auf Papier
Krause ist der Meister seiner Langzeitprojekte, die alle den Prozess des
Tuns in den Mittelpunkt rücken.
Schon bei seinen Konfetti-Bildern schneidet
er akribisch kreisrunde Blättchen aus weißem Karton, sammelt
diese, um sie
nach einem Jahr Arbeit zu einem gegebenen Anlass in die Luft zu werfen.
Seine aktuellen
Arbeiten wirken zunächst wie industriell gefertigte karierte
Rechenpapierbögen. Nur langsam nehmen wir
wahr, dass alle Linien mit Tusche
und ohne Lineal durch die Hand des Künstlers entstanden sind. Linie
für
Linie.
Der eigentliche Wert dieser so nüchtern wirkenden Blätter ist aber
nicht der Effekt der Ähnlichkeit zu
herkömmlichen Din A 4 Bögen, sondern
dass wir in der Betrachtung die gezeichneten Linien auf gleiche
Weise
verfolgen, wie sie der Künstler gezeichnet hat. Damit begeben wir uns in die
gleiche konzentrierte
Ruhe, wie sie für Jürgen Krause notwendig ist, um
überhaupt diese Zeichnungen anzufertigen.
Peter
Sauerer
Für seine Motive – Beisetzungsszenen berühmter Menschen, Politiker in
Parade-Fahrzeugen oder auch die
Bücherverbrennung – nutzt Peter Sauerer oft Abbildungen aus Zeitungen,
Magazinen oder Büchern, die er in
akribischer Fingerfertigkeit in Holz nachschnitzt und farblich fast. In
seinen Werken eignet sich der Künstler
Ereignisse von hohem Ausmaß auf eine fast volkstümliche Art und Weise wieder
an. Seine Objekte sind aber
auch Produkte eines klugen Künstler-Blicks, der ohne Überspitzung und
Verfremdung nicht funktionieren würde.
Denn warum sonst wirken bei ihm Diktatoren wie Hitler und Göring wie
groteske Kasper, sind seine
Politiker-Fahrzeuge zersägt und provisorisch mit Bindfäden wieder zusammen
gebunden und warum sind alle
seine Protagonisten (ob Mann oder Frau) dem Künstler „wie aus dem Gesicht
geschnitten“ ?
Eva Teppe
„Half
awake, half asleep“, revised 2006
Video Projektion in DVD, 11’21’’ Loop,
Sound: Mika Vainio
(Courtesy Anita
Beckers)
alternativ
Sheep Meadows, 2007
Ein Kanal Video, gesplittet, 19’55’’, Format 16:9, Sound: Nezzy Idy
Ein
Amateur-Video-Band hat die Künstlerin (im Internet?) entdeckt. Es zeigt eine
Person auf einem Felsvorsprung,
die in den Abgrund springt. Die Kamera des
unbekannten Amateurs verfolgt diese Person bei ihrem Sturz bis zu
dem
Moment, in dem aufgrund der Schwerkraft, sich der Körper dreht, bis die
Person kopfüber aus dem Bild stürzt.
Eva
Teppe hat die gefundene Aufnahme stark bearbeitet, in dem sie sie
verlangsamt, mit einem Sound unterlegt
und als Loop schneidet. Der
Betrachter ist nun in der Lage dieses Fallen als ein langsames zu Boden
Schweben
wahrzunehmen. Assoziationen psychischer Zustände zwischen Träumen
und wachsein stellen sich ein und werden
durch den Titel auch von der
Künstlerin bewusst aufgegriffen.
Arnold von Wedemeyer
Mälzel's Raum [on-time, still life
II]
HD-Video, 1080p, 7:20 min, 2007
Die Videoarbeit zeigt ein "bewegtes Stillleben" in fotografischer Auflösung.
Sie wird als Loop auf einem wandmontierten
Flachbildschirm gezeigt.
Auf einem Tisch im Vordergrund befinden sich eine Schale mit Früchten, eine
Öllampe, ein Metronom, eine Vase mit
weißer Rose und ein Schachspiel. Im Hintergrund steht ein Stuhl und ein
Klavier. Das Bild wird von einer Kamera
aufgenommen, die sich langsam um die Stituation herum bewegt. Über die
siebeneinhalb minütige Dauer des Videos
schlägt das Metronom im Sekundentakt, während die Früchte verwesen und die
Rose vertrocknet. Irgendwann macht
eine Figur auf dem Schachbrett ohne äußere Einwirkung einen Zug.
In dem Video werden mehrere sich widersprechende Zeitabläufe gleichzeitig
dargestellt. Es ist das Ergebnis eines über
die Dauer einiger Wochen zyklisch abfotografierten computergesteuerten
Aufbaus.
Alighiero
e Boetti
Eva Teppe
Arnold von Wedemeyer
Peter Sauerer (Privatsammlung Frankfurt)
Peter Sauerer (Privatsammlung Frankfurt)
Peter Sauerer (Privatsammlung Frankfurt)
Peter Sauerer (Privatsammlung Frankfurt)
Installation Jürgen Krause
Installation Jürgen Krause
Karin Hoerler
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